Wissenschaft – Viele Gletscher auch bei geringer Klimaerwärmung verloren – Wissen

Pittsburgh (dpa) – Wassermangel, steigender Meeresspiegel, veränderte Flora und Fauna: Das fortschreitende Abschmelzen von Gletschern durch die Erderwärmung hat schwerwiegende Folgen.

Eine im Fachblatt Science veröffentlichte Studie zeigt nun, dass selbst im besten Fall ein Großteil des Gletschers verschwinden wird. Demnach dürften bis 2100 fast 50 Prozent der rund 215.000 betrachteten Gletscher schmelzen – wenn der Temperaturanstieg auf 1,5 Grad begrenzt wird. Die Autoren haben auch eine positive Botschaft: Sofortiges Handeln für den Klimaschutz und jedes eingesparte Zehntel Grad Erwärmung können den Prozess verlangsamen.

Mit ihren Berechnungen bestätigt das internationale Team um David Rounce von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh bisherige Erkenntnisse über das Ausmaß der Gletscherschmelze. „Die Studie hat sich sehr detailliert mit verschiedenen Prozessen auseinandergesetzt, die vorher nicht berücksichtigt werden konnten. Es ist aber nicht so, dass aus der Studie etwas völlig Neues hervorgeht, was vorher nicht bekannt war“, sagt Glaziologe Olaf Eisen vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, der nicht an der Untersuchung beteiligt war.

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Laut der Studie hängt das Abschmelzen von Gletschern linear mit dem durchschnittlichen Anstieg der globalen Temperatur zusammen. Bei einem Anstieg um 2 Grad – dem maximalen Erwärmungsziel des Pariser Klimaabkommens – könnten fast 70 Prozent der bis zu einem Quadratkilometer großen Gletscher verschwinden. Fast 20 Prozent der Gletscher zwischen einem und zehn Quadratkilometern würden komplett abschmelzen.

Gletscher in Europa, Kanada und Amerika könnten verschwinden

Basierend auf den auf der UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow im Jahr 2021 gemachten Klimaversprechen, die einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 2,7 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts vorhersagten, würden Gletscher in vielen Regionen fast verschwinden, heißt es in der Studie weiter. Dazu gehören solche aus den europäischen Alpen, Westkanada, den Vereinigten Staaten und Neuseeland. Gletscher sind große Schnee-, Firn- und Eismassen, die meist langsam vom Gebirge ins Tal fließen.

Deutschlands Gletscher seien laut Eisen nicht mehr zu retten: “Das Problem ist vorbei.” Im vergangenen Jahr schmolz der südliche Schneeferner, sodass nur noch vier Gletscher in Deutschland zurückblieben. “Sie werden dasselbe Schicksal erleiden”, sagte Eisen. Wie schnell die Abschmelzung in Deutschland voranschreiten wird, hängt nur von den Temperaturen in den kommenden Wintern ab. „Wenn wir Winter wie 2020 oder 2021 bekommen, wenn der Frühling kalt und nass war, könnten sie ein Jahrzehnt länger dauern, aber die deutschen Gletscher werden wahrscheinlich nicht 2050 erreichen.“

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Folge: Der Meeresspiegel steigt

Laut der Studie würden bei einem durchschnittlichen globalen Temperaturanstieg von vier Grad bis zum Jahr 2100 83 Prozent aller Gletscher weltweit verschwinden. Das hätte dramatische Folgen. Denn schmelzende Gletscher lassen den Meeresspiegel steigen. „Jeder Millimeter Meeresspiegelanstieg führt zu mehr Überschwemmungen in Küstengebieten, und Gletscher sind einer der Haupttreiber des Meeresspiegelanstiegs“, sagt Fabien Maussion von der Universität Innsbruck, Mitautor der Studie.

Außerdem sind Gletscher natürliche Süßwasserreservoirs. „Wenn sie weg sind, heißt das nicht, dass wir kein Wasser mehr haben, sondern dass Wasser nicht kommt, wenn es gebraucht wird – nämlich in den trockenen, heißen Sommermonaten“, sagt Matthias Huss von der ETH Zürich, ebenfalls Co-Autor von das Studium, mit. Wenn das Eis verschwindet, ist insbesondere in Dürreperioden mit Wasserknappheit zu rechnen. „Das ist ein Problem für Bewässerung, Trinkwasser, Warentransport, Fauna und Flora und so weiter“, sagt Huss.

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Rounces Team betont jedoch, dass es mittelfristig durchaus möglich ist, das Schmelzen mit sofortigen und umfassenden Klimaschutzmaßnahmen im globalen Maßstab zu verlangsamen. „Auch wenn wir die Gletscher, wie sie derzeit aussehen, nicht retten können, führt jedes eingesparte Zehntelgrad Erwärmung zu einem geringeren Rückgang und damit zu weniger negativen Auswirkungen“, sagt Huss. „Wir brauchen einen vollen Wechselkurs in Bezug auf unsere Emissionen, wir müssen die globalen Emissionen wirklich viel stärker reduzieren“, sagte Maussion.

© dpa-infocom, dpa:230106-99-120896/2

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