
Der Scheinerfolg der Elektromobilität


Die Rahmenbedingungen für die Elektromobilität verschlechtern sich rapide, sagt WELT-Autor Nando Sommerfeldt
Quelle: Bildallianz / Rainer Keuenhof, WELT/Martin Lengemann
Die neusten Zulassungszahlen deuten darauf hin, dass immer mehr Menschen auf Elektroautos umsteigen. Erlebt die Elektromobilität jetzt ihren endgültigen Durchbruch? Drei Gründe sprechen dagegen – und darüber dürften sich die Grünen sogar freuen.
michIn den vergangenen Monaten sah es so aus, als würde Deutschland bald eine Elektroauto-Nation werden. 2022 kauften viele Deutsche zum ersten Mal ein Elektrofahrzeug. Laut Kraftfahrt-Bundesamt wurden 470.559 reine Elektroautos neu zugelassen, dazu 362.093 Plug-in-Hybride. Man kann sagen, dass jedes dritte verkaufte Fahrzeug im Jahr 2022 elektrifiziert war. Darauf kann man stolz sein. So kann es weitergehen.
Aber das wird es nicht. Denn die Rahmenbedingungen für die Elektromobilität verschlechterten sich rapide. Zum einen, weil der staatliche Zuschuss zum Kauf der Fahrzeuge seit Anfang des Jahres deutlich gekürzt wurde. Die große Nachfrage nach Elektroautos zum Jahresende war also eher eine Art Ausverkauf als der Durchbruch des Elektroautos durch die Deutschen.
Und so spekulieren bereits erste Branchenexperten, dass die Zahl der Zulassungen in diesem Jahr fast halbiert werden könnte – was ein herber Rückschlag für die deutsche Verkehrswende wäre.
Allerdings dürfte das Interesse auch sinken, weil neben dem Wegfall der Prämien auch die Kaufpreise stark steigen. Obwohl Verbrennungsmotoren in Zeiten der Hyperinflation auch teurer werden, sind Elektroautos viel mehr. Zudem gibt es für Mittelverdiener so gut wie keine batteriebetriebenen Fahrzeuge. Im Bereich zwischen 20.000 und 30.000 Euro sucht man vergebens.
Es gibt einige kleine Autos, die sich in diesem Bereich bewegen. Aber das sind Stadtautos für kurze Strecken. Spätestens für Familien oder Fernreisen sind sie ungeeignet.
E-Autos sind wirklich nur im High-End-Segment alltagstauglich. Porsche, Mercedes, Audi und BMW bauen mittlerweile sehr gute Elektrofahrzeuge. Doch Einstiegspreise von 80.000 Euro können nur von einem Bruchteil der Verbraucher finanziert werden. Eine weite elektrische Kurve ist unmöglich.
Elektromobilität für die Masse bleibt unrealistisch
Natürlich haben die sogenannten Massenhersteller mittlerweile auch Elektrofahrzeuge. Aber egal, ob VW, Nissan, Opel oder Renault: Entweder kosten deren Fahrzeuge deutlich mehr als 40.000 Euro (meistens eher 50.000) oder die Modelle fallen im täglichen Test durch – leider kommt beides häufig vor.
Dann gibt es Strom, der immer mehr kostet. Auch angesichts der immer noch hohen Kosten für Benzin und Diesel schwindet der Spritkostenvorteil für E-Modelle dahin. Und während die Kraftstoffpreise bereits wieder sinken, kennt der Strompreis in Deutschland seit Jahrzehnten nur eine Richtung.
Mit der aktuellen Energiekrise haben wir eine besondere Situation. Erstens weiß niemand, wann sich die geopolitische Lage wieder beruhigt, und zweitens ist auch klar, dass die Energiepreise auch nach dem Ende des Ukrainekrieges mittelfristig nicht sinken werden. Die Leistung der erneuerbaren Energien ist zu schwach und die Gaspreise, die wir in Zukunft an Katar oder Norwegen zahlen werden, sind zu hoch.
Was also tun? Die Begrenzung der Kaufprämien ist eine halbherzige Maßnahme. Zumal die lukrative Dienstwagenbesteuerung bestehen bleibt. Ressourcen: Die Gutverdiener erhalten weiterhin die gleiche staatliche Unterstützung für ihre meist sehr großen und teuren Autos.
Normal- und Geringverdiener müssen sich dagegen mit geringeren Subventionen begnügen – obwohl Fahrzeuge und Strom immer teurer werden. Elektromobilität für die Masse bleibt unrealistisch.
Auf E-Autos könnten die Grünen auch ganz verzichten
Aber vielleicht muss es so sein. Dass individuelle Mobilität gerade den Grünen ein Dorn im Auge ist, ist kein Geheimnis. Es wäre sicher gut für sie, wenn die breite Masse gar kein Auto mehr besäße. Stattdessen werden Carsharing, Fahrräder, Bahn und ÖPNV politisch favorisiert.
Doch abgesehen davon, dass die meisten dieser Optionen bereits überfrachtet sind, wäre ein solcher Plan viel zu kurzsichtig. Für die städtische Bevölkerung – hauptsächlich grüne Wähler – mag es gut erscheinen, weniger individuell mobil zu sein. Ein eigenes Auto wird für die Menschen auf dem Land auch in den nächsten Jahrzehnten unverzichtbar bleiben.
Was bleibt, ist der Aufruf an den Markt. Höhere CO2-Steuern auf Benzin und Diesel könnten dazu führen, dass die Menschen vom Kauf von Verbrennungsmotoren absehen. Um Autos dann im großen Stil zu den Verbrauchern zu bringen, wären die Autokonzerne gezwungen, ihre E-Auto-Entwicklung und -Produktion auf Hochtouren auszubauen.
Das Ergebnis: mehr Autos zu niedrigeren Preisen. Elektromobilität für die Masse. Das wäre der Durchbruch.
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