Die “jungen Wilden” abgehängt: Kein Interview mit Rosemarie Trockel

Die “jungen Wilden” zurückgelassen
Kein Interview mit Rosemarie Trockel

Strickbilder, Skulpturen und Tierfilme – mit ihren vielseitigen, humorvollen Arbeiten steht Rosemarie Trockel an der Spitze der internationalen Kunstszene. Es gibt einen besonderen Grund, warum sie nie Interviews gibt.

Um 1980 dominierte die damals bundesweit tonangebende Kölner Kunstszene die „wilde Jugend“ – Männer wie Martin Kippenberger, Georg Herold oder Albert und Markus Oehlen. Sie wirkten sorglos, laut und angriffslustig. Doch dann kam eine Frau und nahm ohne Prahlerei, aber sehr bewusst eine Gegenposition ein: Rosemarie Trockel. Heute ist sie bekannter als die meisten Männer des damaligen Künstlermilieus. Der in Deutschland erscheinende Kunstkompass listet Trockel regelmäßig unter den Top Ten der lebenden Künstler. Der 1952 in Schwerte geborene Kölner wird am 13. November 70 Jahre alt.

„Rosemarie Trockel ist eine Ausnahmeerscheinung in der Kunst“, sagt Yilmaz Dziewior, Direktor des Museum Ludwig, eines der bedeutendsten deutschen Museen für zeitgenössische und klassische Moderne. Internationale Bekanntheit erlangte Trockel bereits früh in ihrer Karriere durch Ausstellungen etwa in New York. Der Durchbruch gelang ihr mit ihren Strickbildern, die sich humorvoll mit dem Klischee der strickenden Hausfrau auseinandersetzen. Ihre Küchenskulpturen gehen in eine ähnliche Richtung. „Was sie auszeichnet, ist eine Leichtigkeit, die den Einstieg in ihre Arbeit sehr unterstützt“, erklärt Dziewior. Ihre Arbeit ist ästhetisch brillant. Durch den scheinbaren Kontrast zu alltäglichen Themen wie Handarbeit oder Kochen fragt man sich als Betrachter unwillkürlich: Was macht das hier im künstlerischen Kontext? Sie denken bereits an Kunst.

Aber Trockel ist auch ein bemerkenswert vielseitiger Künstler. „Einen Trockel-Stil gibt es nicht“, betont Dziewior. Das zeigt sich daran, dass sie in verschiedenen Medien arbeitet. Sie schafft Bilder, Zeichnungen, Skulpturen, Installationen und Filme. „Sie nutzt also das ganze Spektrum und lässt sich nicht auf eine Handschrift oder ein Thema festlegen.“ Dziewior Trockels Filme, vor allem die Tierfilme, werden bis heute unterschätzt. Vor allem Hunde und Affen sind in ihrer Arbeit präsent. „Die Wertschätzung und der Respekt gegenüber Tieren, das Tier als gleichberechtigter Partner im Leben – das ist ein wichtiger Aspekt.“ Und das war vor 20 oder 30 Jahren, als das Thema noch nicht so fokussiert war wie heute.

Was trug Gerhard Richter?

Dziewior selbst kennt Trockel seit Jahrzehnten. 1997, noch als Student, wurde er von ihr gebeten, für einen ihrer Filme in einem Che-Guevara-T-Shirt durch eine Installation von Sarah Lucas im Museum Ludwig zu gehen. „Aber das zeichnet mich nicht aus, es ist eine gängige Praxis von ihr, ihr Umfeld, Bekannte und Freunde in ihre Arbeit einzubinden.“

Trockel gibt fast nie Interviews. Ihre Arbeit sollte sprechen, nicht sie selbst. „Das kann ich sehr gut nachvollziehen“, sagt Dziewior. „Sie sieht sich einfach nicht als Autorität, die mehr über Kunst weiß als das Publikum. Vielmehr hat sie ein starkes Bewusstsein dafür, dass jeder einen anderen Zugang zu ihrer Arbeit hat. Das interessiert sie viel mehr als sie selbst, Ihnen zuzuhören. sprechen.” Als Trockel ihre Karriere begann, wurde mehr über Aussehen, Frisur und Kleidung einer Künstlerin geschrieben als über ihre Arbeit. „Was man bei einem Mann absolut nicht gemacht hätte. In Gerhard Richters Texten von damals liest man nirgendwo, was er anhatte.“

Mittlerweile gehört es sozusagen zu Trockels Markenkern, dass sie sich der Öffentlichkeit entzieht. Was nicht bedeutet, dass sie unerreichbar ist, sagt Dziewior. „Im Gegenteil, sie ist sehr offen. Mich hat immer beeindruckt, wie sie mit Menschen umgeht, wie den Studierenden. Sie ist keine dozierende Autorität, aber unglaublich neugierig. Sie lässt sich immer wieder auf Neues ein – auch heute noch ( fast) 70 Jahre alt.”

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