Buchkritik zu »Science matters« – Spektrum der Wissenschaft

Vielleicht werden zukünftige Generationen auf unsere Zeit als eine Zeit rasanter Aufregung zurückblicken. Nicht umsonst ist „Wahnsinn!“ wohl das beliebteste Ausrufezeichen, um irgendetwas zu kommentieren. Auch Tilmann Betsch, Professor für Sozial-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Universität Erfurt, ist sehr gespannt. So sehr, dass er gerade ein Buch für diejenigen schreibt, die “den dummen Klatsch satt haben”. Betsch, der beruflich in der Urteils- und Entscheidungspsychologie arbeitet und sich mit dem Zusammenspiel von Intuition und analytischem Denken beschäftigt, mag allein aus diesem Grund das Bedürfnis verspürt haben, ein Buch über die wissenschaftliche Methode zu schreiben.

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Regeln zur Charakterisierung der wissenschaftlichen Methode

Mit entsprechend temperamentvoller Sprache (“Thorndike made Cages. He locks cats in them”) legt Betsch eine wuchtige Attacke los. Er möchte die Regeln entwickeln, die die wissenschaftliche Methode charakterisieren. Das Buch hat natürlich seine Stärken darin, dass der Autor gut recherchierte Mängel des „gesunden Menschenverstandes“ darstellen kann, insbesondere Vorurteile, Karrierevorgaben oder Überschätzungen persönlicher Erfahrungen. Das erkannte bereits der englische Philosoph Francis Bacon Anfang des 17. Jahrhunderts und sprach von „Idolen“, die das Wissen verdunkeln. Schwach wird das Buch immer dann, wenn Betsch die Grenzen seines Fachgebiets überschreitet und etwa den Theoretiker Bacon einen „Macher“ nennt oder von Galileo Galilei sagt, er habe Experimente als zentrale Methode der Wissenschaft vorgeschlagen (Galileo selbst bezeichnete seine Wissenschaft als deduktiv markierte Experimente gelten als retrospektive Bestätigung).

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Betschs erste Regel, dass alles Wissen als vorläufig betrachtet werden sollte und dass die Wissenschaft keine Wahrheit findet, kann nicht überbetont werden. Hier können wir auf eine schreckliche Unsitte des Infotainment-Angebots hinweisen: Um die Dramatik der Erzählung zu steigern, geben Wissenschaftler gerne vor, die Geheimnisse der Natur zu lüften. Die Handlung läuft normalerweise so ab: Nach viel Mühe gelingt es dem Helden oder der Heldin, das Rätsel einer Krankheit, eines archäologischen Funds oder eines physikalischen Phänomens zu lösen. Diese Geschichte erweckt den Eindruck, als hätte der Wissenschaftler die Wahrheit gefunden, also die richtige Lösung des Rätsels. Aber das ist nicht der Fall. Vielmehr soll gesagt werden, wie es der „Scientific Community“ gelungen ist, nach jahrelanger harter Arbeit und beharrlichem Herumtasten mit vielen Diskussionen eine überzeugende, intellektuell befriedigende und empirisch belegte Erklärung zu finden. Allerdings wird dies niemand als Abendunterhaltung sehen wollen.

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